Antrag zum Digitaler Landeskongress

Antrag 100

Digitaler Landeskongress der Jungen Liberalen NRW
26.-27. Februar 2021


Antragsteller: Landesvorstand


Status: [  ] angenommen [  ] nicht angenommen [  ] verwiesen an: ___________________________

Der Digitaler Landeskongress möge beschließen:

1Unser Update zur weltbesten Beruflichen Bildung

2Wir Junge Liberale sind der festen Überzeugung, dass Bildung die nachhaltigste Investition zur

3Realisierung individueller Lebensziele und grundlegend für eine chancengerechte Gesellschaft
4ist. Deshalb setzen wir uns mit großer Leidenschaft für weltbeste Bildung ein. Der politische
5Fokus verengt sich in der Regel jedoch auf allgemeinbildende Schulen. Dabei gibt es eine
6weitere wichtige Säule in unserem Bildungssystem: die Berufliche Bildung. Sie vermittelt die
7Grund- bzw. Fachbildung für einen Beruf und ermöglicht den Erwerb schulischer Abschlüsse.
8Alleine in NRW besuchen in diesem Jahr rund 550.000 junge Menschen ein Berufskolleg und
9fast 300.000 befinden sich in einer dualen Ausbildung.

10Die duale Ausbildung nach deutschem Modell ist als Erfolgsfaktor für den Wirtschaftsstandort

11Deutschland und Nordrhein-Westfalen weltweit gefragt und dient vielerorts als Vorbild. Mit der
12richtigen Kombination aus betrieblicher Praxis und Berufsschule wird jungen Menschen eine gute
13Grundlage für den Start ins Arbeitsleben gegeben. Darüber hinaus leistet die berufliche
14Ausbildung der jungen Generation die Sicherung von Aufstiegschancen, ermöglicht die Teilhabe
15in der Gesellschaft und fördert die soziale Integration.

16Die Bildungslandschaft in NRW kann nur dann fundamental verbessert werden, wenn die

17berufliche Bildung die gleiche Priorität wie schulische und akademische Bildung erhält. Die
18Gleichwertigkeit der akademischen und beruflichen Bildung darf nicht nur ein Lippenbekenntnis
19sein. Berufliche Bildung zu stärken bedeutet für uns mehr, als nur zusätzliche Investitionen in
20unsere Berufskollegs. Wir wollen, dass Nordrhein-Westfalen das attraktivste Bundesland für
21Auszubildende wird und sich dadurch auch mehr junge Menschen mit einer solchen Möglichkeit
22beschäftigen. Unser Update für die Berufliche Bildung setzt sich deswegen aus drei Teilen
23zusammen: 

241.      Maßnahmen vor der Ausbildung

25Bereits vor der Ausbildung wollen wir die richtigen Weichenstellungen setzen und junge

26Menschen besser auf eine Ausbildung vorbereiten sowie die vielfältigen Möglichkeiten
27vermitteln. Besonders wichtig sind uns auch die Menschen, die ohne Abschluss ihre erste
28schulische Laufbahn beenden. Deswegen setzen wir uns für folgendes ein: 

  • 29Aktuell brechen 6,1% der SchülerInnen in NRW die Schule ab und erlangen keinen
    30Abschluss. Für uns ein klarer Handlungsauftrag. Das Land NRW hat mit der Initiative
    31"Kein Abschluss ohne Anschluss" (KAoA) ein einheitliches Übergangssystem von der
    32Schule in Ausbildung und Studium implementiert. Die Zusammenarbeit zwischen den
    33Kammern und den Ausbildungsbetrieben auf der einen und der Agentur für Arbeit und
    34dem Jobcenter auf der anderen Seite muss weiter intensiviert werden. Das
    35„Werkstattjahr“ muss unter dem Leitmotiv des „Chancen-Coaching“ als zentrales
    36Instrument für die Integration nicht-ausbildungsreifer Jugendlicher in den Arbeitsmarkt
    37weiterentwickelt werden. Die Programme müssen zudem individuell gestaltet werden und
    38sich an den lokalen Gegebenheiten orientieren. Der Programminhalt soll auf die
    39Einschlagung zweier konkreter Wege zugeschnitten werden. Der erste Weg ist die
    40Kombination aus abwechselnden Praxis- und Lernphasen. In den Praxisphasen werden
    41unterschiedliche Praktikumsmöglichkeiten wahrgenommen, während in den Lernphasen
    42möglichst individuell an der Ver-wirklichung von Fördermöglichkeiten (z.B. sprachlicher
    43Fähigkeiten oder dem Schreiben von Bewerbungen) gearbeitet werden soll. Die
    44TeilnehmerInnen sollen über den Zeitraum der Lernphase in regelmäßigen Abständen
    45durch Gespräche und Coachings motiviert und beraten werden. Der zweite Weg ist die
    46Option, den zweiten Bildungsweg einzuschlagen. Auf dieser Lösung soll besonderes
    47Augenmerk liegen. Auch hier sollen über den Zeitraum des zweiten Bildungsweges
    48regelmäßige Fördermaßnahmen und Evaluationsgespräche durchgeführt werden.“
  • 49Auf formalen Wege können (z.B. im Handwerkssektor) ausländische Berufsabschlüsse
    50häufig nicht anerkannt oder angefangene Ausbildungen nicht abgeschlossen werden. Um
    51den Einstieg in den deutschen Arbeitsmarkt dennoch zu erleichtern, soll die für die
    52jeweilige Ausbildung zuständige Körperschaft Praxis-tests, z.B. in kooperativen
    53Ausbildungsbetrieben, durchführen, um die Erbringung eines Nachweises für Fähigkeiten
    54zu ermöglichen. Am Ende mehrerer Kompetenzfeststellungen sollte eine
    55Externenprüfung ermöglicht werden, so dass schließlich ein vollwertiger Berufsabschluss
    56steht.
  • 57Um bereits frühzeitig individuelle Talente von SchülerInnen evaluieren zu können und in
    58der Schule eine stete Beschäftigung mit der Zeit nach der Schule zu schaffen, fordern wir
    59schulformübergreifend die Etablierung von Talent-Tests für alle SchülerInnen. Mithilfe von
    60diversen praktischen Übungen, Umfragen und Gesprächen sollen Fördermöglichkeiten
    61und Berufsempfehlungen in Kooperation mit z.B. Berufsinformationszentren entstehen.
    62Nach der 6. Klasse sollen einmal jährlich Talent-Tests durchgeführt werden. 
  • 63Werkstätten für behinderte Menschen sollen schrittweise und wo sinnvoll möglich die
    64Option haben, Be-rufsausbildungen in anerkannten Ausbildungsberufen anzubieten.
    65Dieses Angebot soll durch Einbindung in das betriebsintegrierte Arbeits- und
    66Berufsbildungsplätze (BiAPs)-Programm unterstützt werden. So wird nicht nur
    67Qualifizierung, sondern weiterhin auch Integration ermöglicht.
  • 68In Studienberatungen soll für StudienabbrecherInnen immer auch die Option der
    69Ausbildung einbezogen werden. So soll es z.B. auch möglich sein, einzelne universitär
    70abgeschlossene Module an der Berufsschule anerkannt zu bekommen.
  • 71Wir fordern die schnellstmögliche Erarbeitung einer gesetzlichen Definition des Dualen
    72Studiums sowie eine vollständige Integration in das Berufsbildungsgesetz. Diese
    73gesetzliche Definition kann mehrere unterschiedliche Modelle beinhalten.
  • 74Die Aufnahme einer qualifizierten Berufsausbildung hat großen Impact auf die Integration
    75von MigrantInnen und kann zusätzlich dazu beitragen, den Fachkräftemangel in
    76unterschiedlichen Ausbildungsbranchen zu reduzieren. Auch bei einem noch laufenden
    77Asylverfahren sprechen wir uns deswegen dafür aus, dass die Ausländerbehörde bei
    78MigrantInnen, welche folgende Kriterien erfüllen, einer Ausbildungs-aufnahme, welche
    79der Laufzeit der Ausbildung entspricht, zustimmt: Mitwirkung im laufenden Asylverfahren,
    80gute Deutschkenntnisse im Verhältnis zur bisherigen Aufenthaltsdauer und die
    81beabsichtigte Aufnahme einer Ausbildung seitens der Migrantin/des Migranten. Um die
    82Qualitätssicherung der Ausbildung zu gewährleisten, soll im Halbjahresrhythmus ein
    83Zeugnis vom Arbeitgeber ausgestellt werden, welches über eine Fortführung der
    84Ausbildung entscheidet.“

852.  Während der Ausbildung

86Die Phase während der Ausbildung wird in erster Linie durch die Zeit im Betrieb und in

87der Berufsschule geprägt. Wir wollen, dass Auszubildende sich hier bestmöglich entfalten
88und entwickeln können. Daher setzen wir uns für diese Punkte ein: 

  • 89Wir fordern eine konsequente Überarbeitung der Lehrpläne in Berufsschulen. Dabei soll
    90ein besonderer Fokus auf der praktischen Nutzbarkeit des Gelernten im Berufsalltag
    91sowie der Aktualität der vermittelten Inhalte und Methoden liegen. Zudem möchten wir
    92stärker digitalisieren. Aufgaben, die in der realen Arbeitswelt nur noch mit dem Computer
    93erledigt werden, sollen nicht mehr mit Zettel und Stift erlernt werden.
  • 94Prüfungsleistungen in der Berufsschule sollen, wo sinnvoll, verstärkt praktisch (z.B. am
    95PC oder in Ausbildungszentren an Realobjekten) absolviert werden.
  • 96Dazu bedarf es eines speziellen Förderprogramms für die infrastrukturelle und technische
    97Ausstattung von Berufsschulen. Zur Ermittlung der landesweiten Bedarfe soll eine
    98unabhängige Kommission eingesetzt werden und alle Berufsschulen des Landes prüfen.
    99Die ermittelten Förderbedarfe sollen dann zu 100% durch das Land gedeckt werden.
    100Auch stärkere Firmenpartnerschaften begrüßen wir. Hier kann es sinnvoll sein, eine
    101zentrale Vermittlungsplattform aufzubauen.
  • 102Um die Individualität des Arbeitsmarktes mit den individuellen Interessen und Stärken von
    103Auszubildenden ideal zu kombinieren, wünschen wir uns eine modulare Berufsschule. So
    104soll es für jeden Ausbildungsberuf im Rahmen der Überarbeitung der Lehrpläne neben
    105einem Anteil an Pflichtfächern viele Wahlmodule geben. Innerhalb der Fächer müssen
    106einzelne Themenfelder definiert werden, die mit einer Prüfungsleistung abgeschlossen
    107werden können. Zur Absolvierung der Abschlussprüfungen muss eine Mindestanzahl an
    108jeweils festgelegten Prüfungselementen bestanden worden sein. Option:
    109Anwesenheitspflichten sollen entfallen.
  • 110Zur Verbesserung der Lehre an Berufsschulen in Bezug auf die Praxisorientierung
    111fordern wir die Einführung von „Know-how-Pendlern“, die parallel zu ihrer beruflichen
    112Tätigkeit einzelne Kurse an Schulen unterrichten. Diese Kurse können vom Umfang her
    113unterschiedlich ausfallen. Nach der Absolvierung von Kursen zum Erlernen von
    114pädagogischen Grundkenntnissen unterrichten diese zunächst für eine geeignete Anzahl
    115von Unterrichtseinheiten gemeinsam mit einer gelernten Lehrkraft unterrichten, bevor
    116nach einer erfolgreichen Probezeit auch eigenständig Kurse geführt werden dürfen.
  • 117In Berufsschulen soll es das Modulfach „Sprachförderung“ geben. Hier soll vor allem der
    118Abbau von Sprachbarrieren in der Ausbildung vorangetrieben werden, um Integration und
    119Ausbildung stärker zu verknüpfen.
  • 120Auch während der betrieblichen Ausbildung soll eine bessere Sprachförderung möglich
    121sein. Zudem können weitere Aspekte der innerbetrieblichen Integration verbessert
    122werden. Wir setzen uns daher für die staatliche Förderung von „Integrations-Coaches“
    123ein, die Auszubildende in einem Betrieb teilweise begleiten und praxisnahe
    124Sprachförderung betreiben. Die Finanzierung soll jeweils zur Hälfte aus staatlichen
    125Fördergeldern und privaten Mitteln (Fonds, Betriebe etc.) erfolgen.
  • 126NRW soll das erste rein digitale Fern-Ausbildungszentrum etablieren. Das Prinzip der
    127Fernuniversität wird somit auf die Ausbildung übertragen und soll vor allem dort helfen,
    128wo geeignete Ausbildungsberufe aufgrund der lokal geringen Nachfrage nicht mehr
    129adäquat gelehrt werden können.
  • 130Wir fordern die Zweckbindungen der Vermögenswirksamen Leistungen um einen
    131„Weiterbildungs-Fond“ zu ergänzen. Durch die Kombination von Arbeitgeberleistungen,
    132Arbeitnehmersparzulage und optionalen Eigenmitteln wird sozialer Aufstieg durch
    133Qualifikation und Weiterbildung direkt gefördert. Die Mindest-laufzeit wird auf 5 Jahre
    134festgesetzt.
  • 135Die Auflegung eines speziell für Auszubildende ideellen Stipendiaten-Programmes der
    136politischen Stiftungen wollen wir im Rahmen des lebenslangen Lernens anstoßen. Dazu
    137sollen die entsprechenden Richtlinien des Bundesministeriums für Bildung und
    138Forschung angepasst werden.
  • 139Im Rahmen unserer Forderung nach der Zusammenlegung der Tarifverbundsysteme im
    140Öffentlichen Nahverkehr in NRW sprechen wir uns für das eingeführte Azubi-Ticket aus.
  • 141Um als Betrieb die Ausbildungstätigkeit als positives Merkmal herausstellen zu können,
    142fordern wir die Einführung eines offiziellen Kürzels, welches Ausbildungsbetriebe tragen
    143dürfen, wenn sie die festzulegenden Kriterien erfüllen. Schlechterstellende staatliche
    144Maßnahmen, wie etwa die Aufnahme von Ausbildung als verpflichtendes
    145Vergabekriterium bei Ausschreibungen, lehnen wir ab.
  • 146Um der Problematik der Diskriminierung von Mitgliedern der LGBTQ +-Community
    147besser gerecht zu werden, fordern wir die Aufnahme von sensibilisierenden
    148Lehrelementen für AusbilderInnen. Zudem sollen Betriebe mit mindestens 250
    149MitarbeiterInnen eine/n verpflichtende/n LGBTQ+-Beauftragte/n, der gleichgestellt mit
    150z.B. der Auszubildendenvertretung agiert, benennen müssen.
  • 151Da lebenslanges Lernen und die Erweiterung des eigenen Horizonts auch während der
    152Ausbildung von großer Bedeutung ist, setzen wir uns dafür ein, dass auch während der
    153Ausbildung eine Bildungszeit (vormals Bildungsurlaub) von fünf Tagen pro
    154Ausbildungsjahr genutzt werden kann. Die Bildungszeit soll flexibel und auch an einem
    155Stück genutzt werden können. 

1563.  Nach der Ausbildung

157Abschließend ist es uns wichtig, dass eine abgeschlossene Ausbildung nicht das Ende

158der Bildungslaufbahn bedeutet. Deshalb fordern wir auch für die Zeit nach der Ausbildung
159verbesserte Maßnahmen. Konkret setzen wir uns ein wir:

  • 160Neben unserem Drei-Säulen-Konzept zum Lebenslangen Lernen möchten wir auch
    161steuerliche Anreize setzen, um Fortbildungen besser zu fördern. Wir fordern, dass die
    162tarifliche Einkommensteuer, vermindert um die sonstigen Steuerermäßigungen durch
    163Fortbildungskosten, für nach den Bildungsurlaubsgesetzen der Länder anerkannten
    164Veranstaltungen um 50% der Ausgaben ermäßigt wird.
  • 165Option 1: Die Jungen Liberalen NRW begrüßen eine flächendeckende Meisterpflicht.
  • 166Option 2: Die Jungen Liberalen stellen sich gegen höhere Zugangsbarrieren für neue
    167Betriebe und Nachfolger. Aus diesem Grund sprechen wir uns gegen eine Meisterpflicht
    168bei nicht gefahrengeneigten Berufsbildern aus. Stattdessen sollen Handwerksbetriebe die
    169Ausbildungsbefähigung nachweisen müssen.
  • 170Option 3: Die Jungen Liberalen stellen sich gegen höhere Zugangsbarrieren für neue
    171Betriebe und Nachfolger. Aus diesem Grund sprechen wir uns gegen eine Meisterpflicht
    172aus. Stattdessen sollen Handwerksbetriebe die Ausbildungsbefähigung nachweisen
    173müssen.
  • 174Wir fordern eine stärkere Begabtenförderung in der Berufsbildung. Dies soll sich auf die
    175landesweit jeweils besten Auszubildenden in jedem Berufsbild beziehen. Dazu soll in
    176Kooperation mit der IHK ein Netzwerk für hervorragende BerufsabsolventInnen etabliert
    177werden. Zudem können individuelle Karriereberatungen erfolgen, deren
    178Weiterbildungsschritte durch ein „Begabtenstipendium“ des Landes NRW gefördert
    179werden.
  • 180Das Berufsbildungsgesetz soll zukünftig Weiterbildung als gleichrangigen Bereich neben
    181der beruflichen Erstausbildung benennen

182 

183Begründung:

184erfolgt mündlich.


Achtung: Die Darstellung des gezeigten Antrags erfolgt als reine Vorschau. Verbindlich ist der Antragstext im offiziellen Antragsbuch zum Digitaler Landeskongress am 26.-27. Februar 2021.